03.03.2015
Auf Goethes Spuren
entlang der „Alten-Heerstrasse“
Der Lions-Club Weilburg unter Leitung seines Präsidenten Markus Balbach,
Laubus-Eschbach, wanderte auf den Spuren von Johann Wolfgang von Goethe
und organisierte einen Familienausflug entlang dem Heimatkultur-Wanderweg „Alte-Heerstrasse“.
Fachlich begleitet und informiert wurden die Teilnehmer vom Heimatchronis
ten
Urs Datum aus Münster, dem Initiator dieses
Kulturhistorischen-Themen-Wanderwegs. Ausgangspunkt war der Parkplatz des
Sportfelds Wolfenhausen, von wo der Weg über Münster nach Villmar zum
Galgenberg führt. Zum Ausklang des Wandertags kehrte die Lions-Gruppe ins
Gasthaus „Wissegiggl“ in Weyer ein.
Genau vor 200 Jahren, im Juli 1815, begleitete der Deutsche Dichterfürst und
Geheime Rat des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, anlässlich eines
Badekuraufenthalts in Wiesbaden, den Herzoglich Nassauischen Oberbergrat
Christoph Ludwig Cramer auf Dienstreise ins Weinbachtal nahe Blessenbach
und in die LangeHecke. Cramer, Chef des Bergbau und Hüttenwesens von
Nassau, wollte sich Vorort über die Wirtschaftlichkeit der lokalen Erz- und
Schiefergruben ein Bild machen. Beide Herren, verantwortlich für das
Bergwesen ihrer Staaten, tauschten sich regelmäßig über geologische und
fachpolitische Fragen ihrer Ressorts aus. Goethe nutzte das Mitreiseangebot
zur Erweiterung seiner Erkenntnisse in Geologie und günstige Gelegenheit zum
Besuch des Freiherren von Stein in Nassau an der Lahn.
Die Regierungskutsche aus Wiesbaden brachte Goethe und Cramer
nach kurzen Aufenthalten in Idstein, Oberselters und Niederselters am späten
Nachmittag des 21. Juli 1815 schließlich über die Hessenstrasse / Weilburger
Landstraße nach Blessenbach. Dort übernachteten die Herrschaften im Haus des
weit über die Region hinaus bekannten Pfarrers der Reformierten
Wied-Runkeler Staatskirche Johann Jacob Meß. Pfarrer Meß
gehörte der Nassauer Landessynode an und veröffentlichte u.a. das neue
Gesangbuch der Unierten Evangelischen Landeskirche des Herzogtums Nassau mit
Gebeten zur häuslichen Andachtsübung. Nach fachlicher Erkundung und
Inspektion der Schmelzhütte (Blei, Kupfer, Eisen), Erzgruben und
Schieferbrüche in Langhecke, setzten die hohen Herren am nächsten Tag ihre
Reise auf der „Heerstrasse“, der damaligen Weilburger Landstrasse,
Richtung Villmar, Niederbrechen nach Limburg fort.
Eine historische Land- und Geleitstrasse zwischen Limburg und Weilburg
Genau diesen Weg nahmen jetzt auch die Wanderer des Lions-Club.
Die
sogenannte Alt- oder Hochstraße über den Höhenrücken des Duneberg und der
Langen Hecke geht in seinen Ursprüngen auf Keltische und Römische Zeiten
zurück. Sie war Teilabschnitt einer frühzeitlichen Fernstraße von der
römischen Kaiserstadt Trier, der Mosel, Rhein und Lahntal bis zu den Städten
der Wetterau, nach Oberhessen, Wetzlar, Marburg, Kassel und weiter nach
Magdeburg und den Hafenstädten an der Nord- und Ostsee. Haupthandelsgüter
auf dieser Strecke waren Eisen und Schmiedewaren, Salz, Wein, Glas, Keramik,
Lederwaren und Textilien.
Schon der erste Deutsche König Konrad I. und seine Gefolgsleute
benutzen diese ganzjährig trockene und mit schweren Fuhrwerken gut
befahrbare Geleitstraße südlich der Lahn zwischen den Burgresidenzen
Limburg und Weilburg. Die Straße war links und rechts des Weges von
unpassierbaren Gräben und Wällen mit dichtem Gestrüpp begrenzt, damit die
Fuhrleute nicht die Zollstationen und Wegegeldkontrollen umfahren oder
unkontrolliert Schmuggelware ins Land bringen konnten. Außerdem sollte das
undurchdringliche Hainbuchen- und Dornengestrüpp des „Landgrabens“
und Gebücks entlang der Straße mögliche Wegelager und Straßenräuber
abhalten, sich mit Beutegut leicht und schnell in den nahen Wäldern davon zu
machen. Dem Räuberunwesen in Taunus und Westerwald eilte noch zu Goethes
Zeiten ein grausiger Ruhm voraus und das Dörfchen Langhecke litt noch lange
Zeit unter dem Vorurteil Schlupfwinkel und heimlicher Treffpunkt
zwielichtiger Existenzen zu sein. Dem konnte sich selbst der nüchterne
Denker und Naturwissenschaftler Goethe nicht ganz entziehen. In seinem
Reisetagebuch hält er dazu fest:
„22. Juli 1815, ins Weinbachthal, wo aber nie Wein gewachsen, und in die
Lange Hecke. Beide Namen berüchtigt wegen Schinderhannes Fluchtwinkel. Lange
Hecke ein enges Thal, durchaus unregelmäßige (ungenehmigte, illegale)
Dachschieferbrüche, Halden und Höhlen, höhlenartige Häuser. Oberwärts
Bleygrube, unterwärts Eisenhütte, zunächst Eisengrube...“
Themenwanderweg der Kultur- und Heimatgeschichte
Die Bezeichnung Alte-Heerstraße geht auf die Zeiten des 30jährigen
Krieges (1618 – 1648) zurück, als die kaiserlichen Truppen aus den
spanischen Niederlanden und dem Rheinland unter den Feldherren Wallenstein
und Tilly zunächst gegen die protestantischen Fürsten von Hessen,
Braunschweig und Brandenburg nach Norden zogen. Nur auf derart solide
ausgebauten Landstraßen wie z.B. der Heerstrasse war es überhaupt
möglich, Kanonen und sonstiges schweres Gerät der Söldnerheere an die Front
zu schaffen. In umgekehrter Richtung rückten später auch die Truppen des
Evangelischen Schwedenkönigs Gustav Adolf über die Heerstrasse nach
Süden an den Rhein und darüber hinaus nach Süddeutschland vor.
Das Teilstück der „Alten-Heerstrasse“ zwischen dem Galgenberg
bei Villmar und der Eisernen Hand bei Blessenbach / Elkerhausen
gehört in ihrem weitgehend noch erhaltenen und klassisch „gestückten“
Straßenzustand zu den wenigen kulturhistorisch wertvollen und besonders
erhaltenswürdigen „Bodendenkmalen“ der Lahn-Taunus-Region. Die Strecke ist
gekennzeichnet und gepflegt als Heimatkultur-Wanderweg. Mit seinen
Hinweis-Schildern, Raststationen und Ruhebänken gehört er inzwischen zu den
bevorzugt genutzten Spazierwegen im Naturpark LangeHecke zwischen Weilburg
und Limburg. Er wird gefördert und unterstützt vom Hessischen Landesamt für
Denkmalpflege und dem zuständigen Kultusministerium. Der Themenwanderweg ist
auch als Muster-Projekt und Lehrbeispiel für Wanderwege-Konzepte in den
Hessischen Bildungsserver aufgenommen worden.
Wanderer auf der Alte-Heerstrasse sehen am Weg u.a. Relikte des
Bergbaus wie z.B. alte Mark- und
Grenzsteine, verlassene Berg-Stollen,
Abraumhalten und Steinbrüche. Neben körperlicher Ertüchtigung und
wohltuender Bewegung bietet der Themenweg vielfältige Sehenswürdigkeiten und
eröffnet geistige Anregung zum stetigen Wandel in Landschaft und Natur, in
Kultur und Gewerbe. Die Wegstrecke vermittelt eine erfrischende Abwechslung
in der Wissensvermittlung mit heimatkundlichem Anspruch.
Die Alte Heerstrasse setzt damit einen bemerkenswerten Kontrapunkt zu
manch tagespolitisch bejubelten „Premium-Wander- oder Radweg“, die von
„Förderern“ des Tourismus häufig als Wahlgeschenk und mit Subventionen des
„Ländlichen Raums“ von ortsfernen Amtsstuben oder fremden Planungsbüros in
die Landschaft gesetzt werden. Sie gelten bei einheimischen Fachkennern als
künstlich implantierte Fremdkörper und „Anonyme Wolkenkuckucksheim-Projekte“
ohne positive Einbindung in die Landschaft und Akzeptanz der Bürgermehrheit
Vorort. Schon bald sind die vordergründige PR-Effekte solcher Vorhaben
verraucht und die aufwendigen Investitionen geraden ziemlich schnell als
absurde Promi-Denkmale wieder in Vergessenheit. Lediglich die weiter
laufenden Unterhaltskosten in den öffentlichen Haushalten bleiben ein
ständiges Ärgernis über die teuren Illusionen früherer Entscheider und
Verursacher, die sich dafür noch nicht einmal politisch oder materiell
verantworten zu brauchen.
Vom Wolfenhäuser Landmarkt zum Villmarer Galgenberg
Den Besuchern des Lions-Club Weilburg konnte schon am Wanderer Treffpunkt
Sportplatz Wolfenhausen, von Urs Datum, dem Sprecher der
Denkmal-Initiative Alte-Heerstrasse, die kulturhistorischen Hintergründe
des Ortes erläutert werden:
Noch zu Goethes Zeiten befand sich auf diesem Gelände ein reger
Landmarktplatz unweit vom uralten Grenzbaum „Heiden-Eiche“, der die Grenzen
der Territorien Nassau-Weilburg, Wied-Runkel, Nassau-Diez und Kur-Trier
markierte. Nur im nahen Umkreis des Grenzbaums, war es auswärtigen
Fahrensleuten und Marktreisenden erlaubt, während der Marktzeiten zu
campieren. Dort wurde während des Wolfenhäuser Maimarkts (31. Mai 1802) der
berüchtigte Räuberhaupt Schinderhannes gefasst. Völlig unbedacht war er über
ein für „Ausländer“ gesperrtes Feld-Terrain der zufällig vorbeikommenden
Straßenkontrolle- und Marktaufsichts-Patrouille in die Arme gelaufen. Man
hat ihn sofort verhaftet und auf direktem Weg über die „Alte-Heerstrasse“
zum Verhör durch den zuständigen Amtmann nach Runkel ins Gefängnis
verbracht. Sein Schicksal ist allseits bekannt und unerschöpfliche Quelle
lokaler Heldengeschichten und zahlreicher Räubermärchen aus dem Taunus.
Räuber, Vagabunden und Fahrensleute
Wer damals auf Landstraßen unterwegs war, musste mit allen Risiken
unfreundlicher Begegnungen mit umherziehenden Obdachlosen, Landstreicher,
vaterlandslose Deserteure, Bettler, Zigeuner oder Hungerleider aus
umliegenden Dörfern rechnen. Manchmal kam es auch zu schweren
Auseinandersetzungen mit zwielichtigem Gesindel, die außer ihrem Leben
nichts weiter zu verlieren hatten, bis hin zu bösartigsten Wegelagerern und
Straßenräubern. Jeder ehrbare Reisende musste auf Angriffe gefasst sein und
sich gegen Überfälle wehrhaft behaupten. In den Sterberegistern der
Kirchenbücher von Münster sind z.B. Opfer solcher Mörder und Strauchdiebe
festgehalten. Die Herrscher der Anlieger-Kleinstaaten wurden der Not und
Gesetzlosigkeit in ihren Territorien kaum noch Herr. Sie heuerten fremde
Söldner als Polizeitruppe an, die sich kaum von den verdächtigen „Vaganten“
unterschieden. Z.B. stellte der Schultheiß von Eisenbach einen allseits
bekannten und gefürchteten Totschläger aus Langhecke als örtlichen Straßen-
und Waldhüter ein. Prompt kam es zu einem Mord an der Hessenstraße, dem ein
Münsterer Waldarbeiter zum Opfer fiel.
Wegen solcher Missstände ließ die Obrigkeit an exponierten Stellen der
Landstraßen Zollstöcke / Pfosten mit Warnschildern gegen unerlaubtes
Betreten des Staatsgebietes anbringen. Zur Abschreckung von Vagabunden,
Landstreichern oder des Landes verwiesenen Verbannten wurden die
Hinrichtungsplätze und Galgen direkt neben die Überlandstraßen platziert.
Außerdem waren entlang der Fernstraßen, nahe den Schlagbäumen an den Grenzen
und Wegegeldposten der Kleinstaaten, Warttürme (Weißer Turm bei Elkerhausen)
und Wehrschanzen (Brechener Warte) eingerichtet, um die anliegenden Dörfer
frühzeitig vor feindlichen Truppen oder sonstigen Gefahren zu warnen.
Besonders nach der französischen Revolution, dem Zusammenbruch des alten
Reiches, der Entmachtung der Kirchenfürsten und Trennung von Staat und
Kirche, herrschten große Not und Willkür in der Rechtspflege.
Erst als der siegreiche Franzosenkaiser Napoleon die neuen Rheinbund-Staaten
u.a. das Herzogtum Nassau einsetzte, der junge Staat Nassau die
Leibeigenschaft aufhob und die Gewerbefreiheit verkündete, blühten Handel
und Wirtschaft im Lande endlich auf. Der Straßenbau entwickelte sich nach
französischen Vorbild (Chaussee). Der Handel erlebte einen Aufschwung und
die ersten Industriebetriebe wurden gegründet. Originalspuren des frühen
Chausseebaus und der Hüttenindustrie sind entlang der Alten Heerstrasse auch
heute noch auszumachen.
Historische Kulturstätte Galgenberg / Duneberg
Zielstation der Lions-Club-Wanderung war der Galgenberg bei Villmar. In
alten Urkunden wurde dieser Hausberg von Villmar und Weyer noch bis ins 18.
Jahrhundert Duneberg genannt. Die Namensverwandtschaft mit den
keltischen Kultstätten „Donnersberg“ in der Pfalz und „Dünsberg“ bei Gießen
lässt kaum Zweifel über Bedeutung und Ursprung dieses unverwechselbaren
Aussichtspunktes über Lahntal, Westerwald und Hochtaunus, zumal in der Nähe
auch mehrere Hügelgrabfelder vorhanden sind.
Seit den glorreichen Zeiten der Deutschen Revolution von 1848 und der
entsprechenden Vaterlandsbewegung war der Duneberg / Galgenberg Treffpunkt
von Heimat-Romantikern aller Couleur insbesondere der Turn- und
Gesangvereine. Dort traf man sich zu Vereins-Festen und Wettbewerben aus der
gesamten Region. Dieses Brauchtum wurde auch in der NS-Zeit mit Fackelzügen
und Sonnenwendfeiern für ideologische Zwecke umgemünzt. Heute ist der
Tourismus-Parkplatz und die Schutzhütte auf dem Galgenberg ein regional
bekanntes und beliebtes Freizeit- und Erholungsgebiet. Es bleibt zu hoffen,
dass dieser symbolträchtige und kulturhistorisch einmalige Ort im Kreis
Limburg- Weilburg von monströsen Rotortürmen und fragwürdigen
Windindustrieanlagen verschont bleiben.
An diesem Ort, an dem selbst der NS-Faschismus Respekt vor
dieser
Jahrtausende überdauernde Landschafts- und Kulturstätte zollte, sollten auch
die heutigen Europa-, Euro- und Umwelt-Parteien mit ihren zweifelhaften
Energiewende-Parolen Achtung haben und innehalten. Wenn in städtischen
Ballungsgebieten aus Umweltgründen keine Windanlagen gebaut werden dürfen, müssen auch die
wichtigsten Natur-, Kulturerbe- und Erholungsgebiete auf dem Land vor politischen
Dogmatikern geschützt werden. Wer zulässt dass Windindustrieanlagen auf den Duneberg / Galgenberg
gebaut werden, versündigt sich an den letzten einzigartigen und wertvollen
Kulturstätten unserer Heimat-region und dem unwiederbringlichen Erbe unsere
Vorväter.
Wer meint, eine solche Industrie-Anlage auf Galgenberg auch noch ruhigen Gewissens „Windpark“ nennen zu dürfen, braucht sich über entsprechende Vergleiche als Öko-Faschisten und Vorhaltungen über ein gewissenloses Natur- und Kulturstätten-Pogrom nicht zu wundern.