29.10.2015

Wird wertvolles Kulturerbe durch fragwürdige Windindustrieprojekte gefährdet?  

 

Heimatkundler LM-WEL tagten in Obertiefenbach     

Alle Jahre wieder ist die Vorstellung des neuen Kreis-Jahrbuchs der Saison-Höhepunkt und ein Forum des Gedankenaustauschs, der Meinungsbildung und des Fachsimpelns von Historikern, Freunden der Heimatkunde und Pflege des heimischen Kulturerbes. Der regionalen Kreisheimatstelle ist es auch diesmal wieder bestens gelungen, ein interessantes Sammelwerk über aktuelle und historische Geschehnisse im Kreis Limburg-Weilburg zu fertigen. Wie gewohnt, ließ es sich Landrat Michel nicht nehmen, die zahlreich erschienen Teilnehmer selbst zu begrüßen und den Autoren des Jahrbuchs für ihre ehrenamtliche Tätigkeit persönlich zu danken.

Die gastgebende Gemeinde Beselich und das Bürgerhaus des Ortsteils Obertiefenbach sorgten für optimale Rahmenbedingungen und gemütliche Atmosphäre. Orts-Chronist Norbert Bandur erläuterte in Wort und Bild dem anwesenden Fachpublikum, Politikern und Medienvertretern die Geschichte des einstigen Klosters Beselich und machte auf diese Perle heimischer Kulturgeschichte aufmerksam.

 

Pressebericht über die Vorstellung des Kreis-Jahrbuchs

Wie bei Jahrestreffen der Heimatkundler üblich, hatten neben dem Fachvortrag der Gastgeber zur Ortsgeschichte und der Vorstellung des Kreis-Jahrbuchs durch den Landrat auch Vertreter aus anderen Gemeinden das Wort, um auf eigene Veranstaltungen, neue Veröffentlichungen oder sonstige fachliche Belange hinzuweisen. Die Lokalpresse bemerkt dazu:

„Gegner von Windkraftanlagen auf dem „Galgenberg“ bei Villmar nahmen die Gelegenheit wahr, die Versammelten um Unterstützung in ihrem Kampf gegen den Eingriff in die Natur dieser historischen Stätte zu bitten.“

Teilnehmer der Veranstaltung werden sich wohl verwundert die Augen reiben, wie verkürzt und dadurch äußerst missverständlich diese knappe Botschaft von den Gazetten verbreitet wurde. Die Meldung ist in mehrfacher Hinsicht nur Halbwahrheit und damit ebenso irreführend wie kontraproduktiv für die Reputation der Lokalpresse.

Der Text verschleiert nämlich den eigentlichen Tenor des Aufrufs und Appells der Denkmal-Initiative „Alte-Heerstrasse“ an die anwesenden Politiker und Presse.

Zufälliges Versehen, Verschwörungstheorie oder doch Absicht?

Soll damit dem Zeitungsleser suggeriert werden: Die beteiligten Kulturvereine in der Denkmalinitiative AHS seien nur rückwärtsgewandte  Fortschrittsfeinde, uneinsichtige „Gegner von Windkraftanlagen“ und rufen polemisch zum allgemeinen „Kampf“ aller Heimatkundler gegen das Windpark-Projekt Galgenberg auf?

Als wüssten oder könnten die betroffenen Geschichts- und Verkehrsvereine von Runkel, Villmar, Weyer, Münster, Wolfenhausen, Haintchen, LaubusEschbach, Langhecke, Blessenbach und Elkerhausen nicht selbst gegenüber den verantwortlichen Politikern und zuständigen Bewilligungs-Behörden, die gesetzlichen Verstöße und Widersprüche zum Natur- und Artenschutz oder die örtlichen Gefahren für kulturhistorische Bodendenkmale nachweisen.

Es geht den Vereinen nicht einfach um den Protest gegen scheinbar alternativlose Industriegebietsplanungen auf dem Galgenberg / Duneberg oder den Naturpark Taunus – Forstgebiet LangeHecke. Es darf nicht der Verdacht entstehen, den betroffenen Ortsvereinen rund um den Galgenberg und der Denkmalinitiative AHS gehe es allein um die Interessen vor ihrer eigenen Haustür. Nein, es handelt sich dabei nicht um einen von vielen anderen Hilferufen oder Empörung gegen technokratischen Größenwahn und Verwaltungshochmut!

 

Appell um generelle Mitverantwortung, Anhörung und Mitsprache

Vielmehr geht es mit dem Appell der Natur- und Denkmalschützer um die generelle Mitverantwortung, Anhörung und Mitsprache der lokalen Heimat- und Kulturvereine und ehrenamtlichen Heimatkundler, wenn ortsfremde Regionalplaner, Verwaltungstechnokraten und ehrgeizige Lokalpolitiker mit fragwürdigen Gutachten von bezahlten „Sachverständigen“ bedenkenlos heimische Kulturgüter beliebig an private Investoren verschachern. Wo bleibt die amtliche Stellungnahme des Kreisbeauftragten für Kulturgüter, Denkmal- und Landschaftsschutz? Müssen sich qualifizierte und gesetztreue Staatsdiener gegen besseres fachliches Wissen und berufliche Erfahrung dem Diktat ideologischer Wirtschaftspolitik beugen?

Diktiert die Heimatgeschichte verleugnende Multikulti-Politik des grün-fundamentalistischen Energie- und Wirtschafts-Minister, inzwischen die Richtlinien der Politik des Hessischen Ministerpräsidenten und seiner Ministerkollegen für Wissenschaft, Kultur, Land- und Forstwirtschaft? Bestimmt eine rücksichtslose Minderheit von Profiteuren über die Mehrheit der zahlenden und haftenden Bürger und Weichenstellung der Landespolitik?

 

Energiewende in der Sackgasse

Die aus hastigen wahltaktischen Gründen 2011 getroffene politische Vorrangstellung für Windindustrieanlagen ist heute kaum noch ökologisch oder wirtschaftlich nachvollziehbar. Die Spekulation mit EEG-Subvention auf Kosten der Stromkunden hat zu derartigen Auswüchsen geführt, dass inzwischen selbst anerkannte Kultur-Denkmale und Gesetze des Natur- und Denkmalschutzes außer Acht geraten. Der Sprecher der Denkmal-Initiative AHS, Urs Datum, forderte deshalb die anwesenden Historiker und Kulturexperten auf, durch Handzeichen einem gemeinsamen Appell der Mitglieder der Kreisheimatkundeversammlung an die zuständige Regionalversammlung beim RP-Mittelhessen zu richten. Mit überwältigender Mehrheit gaben die Anwesenden dafür ihr zustimmendes Handzeichen.

 

Die politische Verantwortung für manche fragwürdigen Planungen zu künftigen Windindustrie-Gebieten, zum Nachteil gewachsener Naturlandschaft und heimischer Kulturschätze, tragen nämlich in Mittelhessen gerade mal 31 Mitglieder der sogenannten „Regionalversammlung“. Für den gesamten Landkreis LM-WEL bestimmen  nur fünf Politiker über die energiepolitische Zukunft von 170 Tausend Bürger! Welche Hybris. Schlimmer kann die Demokratie sich nicht als Scheindemokratie entlarven. Ein im Hintergrund agierendes politisches Gremium, dass ähnlich der EG-Kommission in Brüssel nicht direkt gewählt und den Wählern persönlich verantwortlich ist, sondern durch Regierungs-Proporz, Koalitions-Absprachen und Wahlergebnis Gewichtung von Parteivertretern besetzt wird. Stuttgart 21 und Flughafen Berlin lassen Grüßen. Entsprechend regierungstreu und parteikonform entscheidet diese front- und praxisferne Elite von Parteiseilschaften über das Wohl oder Wehe unserer heimischen Umwelt.

 

Die Bürger stehen 2016 vor der Wahl

Die Zusammensetzung dieses Gremiums wird im März 2016 mit den kommenden Kommunal- und Kreistagswahlen neu bestimmt. Nicht zuletzt deshalb treiben die Windpark-Lobbyisten zur Eile der Genehmigungsprüfung möglichst vieler Projekte. Andererseits bietet sich für den Bürger und Wähler Gelegenheit, die Wahl-Kandidaten auf die Prüfwaage zu stellen, welche Politik sie verfolgen. Werden die Landschaft und die heimischen Natur- und Kulturgüter künftig besser geschützt, oder soll die Verspargelung des Kreises auf Kosten des Kulturerbes und auf Rechnung der Stromkunden so weitergehen wie bisher?

 

Wie kurzsichtig und bedenkenlos Industrieplanung und angeblicher wirtschaftlicher Nutzen sein können, wissen die Heimatkundler im Kreis LM-WEL und Naturpark Lahn-Taunus-Westerwald aus eigener Erfahrung. Aus Gründen wirtschaftlicher „Autarkie“ und lokaler Arbeitsplätze wurde z.B. in Steeden das einmalige Kultur-Denkmal die Wildscheuer 1953 bedenkenlos zerstört. Heute bedauert man den Verlust dieses einmaligen Schatzes heimatlichen Kulturerbes. Von der Zerstörung der Landschaft durch Braunkohle Tagebau oder den Schiefer- und Marmorabbau an der Lahn ganz zu Schweigen.

 

Daher der Appell der Heimatkundler von LM-WEL an die Politiker und Wahlkandidaten: Nicht alles was Windindustrie, Projektplaner und Investitionsberater versprechen, sollten aufgeklärte Menschen ungeprüft glauben und verantwortungsbewusste Politiker beliebig zulassen. Oder mit den Worten aus Goethes Faust: Was du ererbt von deinen Vorvätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Mit der Weisheit des Bauernstandes ausgedrückt: Du hast den Acker deiner Eltern nicht geerbt, sondern von deinen Kindern geliehen.